Sehr geehrte Leser,
dem Konzept der Gewaltenteilung zufolge soll die Justiz die Macht der Regierung einschränken. Immer häufiger ist aber das Gegenteil zu beobachten. Die Justiz lässt sich zum Instrument der Regierung machen. Im Interesse der Herrschenden bringt sie missliebige Stimmen zum Schweigen und schaltet Konkurrenten bei Wahlen aus. Dieser unsägliche Trend ist international zu beobachten:
In den USA wurde Donald Trump mit absurden Prozessen überzogen. Es ging um manipulierte Immobilienbewertungen, Geheimnisverrat oder auch Verleumdung einer Schriftstellerin, die Trump eine vermeintliche Vergewaltigung vor Jahrzehnten vorgeworfen hatte. Trump wurde insgesamt zur Zahlung hunderter Millionen US-Dollar Strafe verdonnert. Seine Räumlichkeiten wurden vom FBI durchsucht.
In Rumänien stoppte das Verfassungsgericht den Präsidentschaftswahlkampf. Dem aussichtsreichen Kandidaten Călin Georgescu wurde vorgeworfen, von einer aus Russland finanzierten Medienkampagne zu profitieren. Echte Belege hierfür gibt es allerdings nicht. Im Februar wurde Georgescu verhaftet. Ihm werden politische Vergehen wie „Anstiftung von Aktionen gegen die verfassungsmäßige Ordnung, die Verbreitung von Falschinformationen und falsche Angaben zur Wahlkampf-Finanzierung“ vorgeworfen.
Marine Le Pen, die die Umfragen zur ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen anführt, wurde wegen Veruntreuung zu zwei Jahren Hausarrest verurteilt. Zudem entzog ihr das Gericht für fünf Jahre das passive Wahlrecht. Der Hintergrund ist, dass Mitarbeiter der Abgeordneten des Rassemblement National nicht nur für parlamentarische Aufgaben im EU-Parlament tätig waren, sondern auch für die Partei. Dies ist bei fast allen Parteien gängige Praxis – eine klare Trennung zwischen Parlament und Partei ohnehin kaum möglich.
In Deutschland möchte die schwarz-rote Koalition in Deutschland mit einem neuen Gesetz das passive Wahlrecht einschränken. So sollen Politiker nach zwei Verurteilungen wegen Volksverhetzung nicht mehr zur Wahl stehen dürfen. Offenkundig handelt es sich um eine „Lex Höcke“. Die Führungsfigur der AfD wurde vor dem Landgericht Halle bereits verurteilt – wegen Verwendung einer weitgehend unbekannten Losung, die offenbar auch zur Zeit des Nationalsozialismus vorkam. Weitere Verfahren gegen Höcke sind anhängig. Sollte es im Sinne der Regierung ebenfalls zu einer Verurteilung führen, könnte Höckes politische Karriere vorerst beendet sein.
Dem immer aggressiveren Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden und Gerichte gegen „politisch unerwünschte“ Personen steht eine bemerkenswerte laxe Einstellung bei Gewalttaten gegenüber, die sich gegen Leib und Leben einfacher Bürger richten. Der US-Autor Samuel Todd Francis prägte dafür den Begriff der Anarcho-Tyrannei. Darunter verstand Francis eine „vollkommen neue Form der Regierung“, in der die „Grundfeste der Zivilisation“ keine Rolle mehr spielt – nämlich die Durchsetzung von Recht und Ordnung. Vielmehr führe das staatliche Handeln zu einer verkehrten Welt: Der unschuldige Bürger wird kriminalisiert – der Schwerstkriminelle sieht sich hingegen einem weitgehend indifferenten Staat gegenüber, dessen Regeln er straflos missachten kann.
Mit der offenen Instrumentalisierung der Justiz für politische Repression zeigen die westlichen Eliten ihr wahres Gesicht. Wohlmeinenden Bürgern wird der Autoritarismus als „Kampf für die Demokratie“ verkauft. Um diese vor ihren vermeintlichen „Feinden“ zu schützen, wird sie vorsorglich immer weiter eingeschränkt.
Doch immer mehr Menschen wachen auf. Die Repression wird zum politischen Bumerang und führt zum stetigen Anwachsen derjenigen politischen Bewegungen, gegen die sie sich richtet. In einer echten Demokratie muss es auch für die Trumps, Georgescus, Le Pens und Höckes einen legalen Weg zur Macht geben (sofern dies dem Willen der Mehrheit entspricht). Im Gegenzug verlieren die bisherigen Eliten ihre Macht. Doch sie scheinen sich mit der natürlichen Pendelbewegung nicht abfinden zu wollen.
Die Instrumentalisierung der Justiz ist der bisher gefährlichste Schritt, um unliebsame Konkurrenz zu bekämpfen. Sie entstammt dem Giftschrank autoritärer Staaten und führt zu einem langfristigen Vertrauensverlust in unsere Rechtsordnung. Nur ein langer Atem bei der Opposition und der wachsende Volkswillen können diese Entwicklung noch aufhalten. Wir werden Sie deshalb schwerpunktmäßig über das Thema auf dem Laufenden halten.
Ihr

Felix Schönherr
Chefredakteur POLITIK SPEZIAL
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